Die Wohlanständigen. Ein Tanner-Kriminalroman
Wie meinen Sie das?
Na ja, wie soll ich sagen?
Sie rutschte nervös auf dem Stuhl, als ob sie keine bequeme Stellung finden würde.
Mein Vater hat …, also hatte eine, äh … Freundin oder Geliebte, wie Sie wollen. Also, jetzt wird’s kompliziert.
Sie lehnte sich auf die Tischplatte.
Als sie meinen Vater gezwungen hatten, aus der Sozietät auszutreten, der er immerhin über fünfundzwanzig Jahre angehört hatte, ging er trotzdem jeden Tag zur gewohnten Zeit aus dem Haus und kam erst nach Büroschluss nach Hause. Was er in der Zeit den ganzen Tag gemacht hat, weiß ich nicht. Ich habe davon auch erst später erfahren. Aber in der Zeit hat er eine Frau kennengelernt. Das heißt, wenn er dann sozusagen auf Geschäftsreisen war, war er in Wahrheit bei dieser Frau.
Sie machte eine Pause. Dann schüttelte sie den Kopf.
Eine große Gemeinsamkeit hatten mein Vater und meine Mutter. Die äußere Fass ade musste unter allen Umständen gewahrt werden. Später, als er dann wieder ein eigenes Büro hatte, hat er offiziell oft dort geschlafen, weil das Büro nicht in der Hauptstadt war, sondern direkt auf der Sprachgrenze in Richtung Welschland.