Schweizerspiegel. Roman

Inzwischen bürstete Frau Barbara den Rock, brachte ihn aber nicht zurück, sondern setzte sich damit an eines der Fenster, das noch einen geschlossenen Blick ins Innere des Gartens gewährte, und suchte mit dem Umstand fertig zu werden, daß die seit Jahren schwankende Lage sich jetzt entschied. Sie hatte mit ihrem Sinn für klare Verhältnisse irgendeine Entscheidung schließlich als das Wünschenswerteste bezeichnet. «Wenn man nur endlich wüßte, woran man ist!» Das war nach Unterredungen oft genug ihr letzter Schluß gewesen. Jetzt aber war sie dermaßen betroffen, als ob sie im Gegenteil heimlich gewünscht hätte, daß die Lage sich solange wie möglich nicht entscheiden möchte. Der Verkauf brachte nun zwar einen Haufen Geld ein, das sie sehr zu schätzen wußte; sie hatte ihr Leben lang im Wohlstand gelebt und gewisse verächtliche Redensarten über den Wert des Geldes immer mit einem Achselzucken abgetan. Aber die Schönheit dieses Familiensitzes, die unaufdringlich gewachsen und gereift war, die Erinnerungen, die sich für sie wie für jedes ihrer Kinder daran knüpften, das Gefühl der Häuslichkeit, das die zerstreute Familie hier doch immer wieder umschloß, dieses geheimnisvolle alles umfassende «Daheim», in dem sie wurzelte, konnte dies mit Geld erkauft werden? Sie hatte gegen die Entwicklung der Stadt nichts einzuwenden, so wenig wie gegen den Fortschritt überhaupt, den gesteigerten Verkehr, das zwanzigste Jahrhundert, die Macht der Zeit; sie fand es töricht, sich dagegen zu sperren, und sie galt in ihren Kreisen denn auch als fortschrittliche Frau. Sie hatte ja diese ganze Entwicklung miterlebt, sie hatte an der Seite ihres Mannes gekämpft und gelitten. Aber warum kam man nicht schließlich an ein Ziel? Und warum konnte man sich dieser Entwicklung nicht entziehen, wenn man genug davon hatte? Warum drängten sich diese häßlichen Häuser ausgerechnet um ihr Heim zusammen, warum mußte diese Zeit eine ganze Familie vertreiben, über ein schönes altes Gut rücksichtslos hinwegstampfen und ein nüchternes Allerweltshaus an seine Stelle setzen?


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