Wintertauber Tod. Ein Tanner-Kriminalroman
Das ist ja unglaublich. Sie haben Recht. Kennen Sie die ganze Bibel auswendig?
Anita lachte.
Nein, nein. Aber lesen Sie jetzt erst einmal die Stelle. Ich trinke meinen Tee.
Anita hatte längst ihren Tee getrunken, als Michel wieder aufblickte, denn er war ein langsamer Leser.
Er schlug das Buch wütend zu.
Mein Gott, das ist ja furchtbar.
Was meinen Sie?
Na ja, die ganze Geschichte. Ich meine, hier wird von einer ungeheuren Brutalität berichtet. Gegen Unschuldige. Gegen Kinder. Das ist ja ekelhaft. Ekelhaft und tragisch.
Michels Wut war nicht gespielt. Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.
Carlo, noch ein großes Bier.
Was meinen Sie mit tragisch?
Anita fragte ihn ganz ruhig.
Nun, ich lese hier von den furchtbarsten Brutalitäten, und noch heute geht es dort, wo sich die biblischen Geschichten zugetragen haben, immer wieder schrecklich zu. Und keine Lösung in Sicht.
Und auch noch alles im Namen Gottes. Was soll denn das für ein Gott sein? Schon als Kind kam ich damit nicht klar.
Sie haben natürlich Recht. Dahinter verbirgt sich eine große Tragik. Aber das eine hat nicht zwingend etwas mit dem anderen zu tun. Es handelt sich ja noch nicht um einen heutigen Staat, sondern ganz generell um das auserwählte Volk Gottes als Idee. Abgesehen davon finden sich bei allen Staatsgründungen auf der ganzen Welt üble Dinge. Auch bei unserem Staat. Interessant ist aber tatsächlich die Rolle dieses Gottes, da haben Sie vollkommen Recht.