Auf der Suche nach dem verlorenen Schnee. Erzählungen und Essays

Auf dem Deckengewölbe über den Köpfen der Gläu­bigen und Halbgläubigen glänzte die Pracht der Engel, diesem Gemurmel gegenüber eher gleichgültig, von denen ich später in den Archiven der Heiligen Katholischen Kirche die ungeheuren Kataloge gesehen habe, wie sie in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt werden und nicht aus dem Staunen gekommen bin, welche Unmengen von Engeln es gibt, mit welch langen Namenreihen, die man sich nicht merken kann. Abdizuel, Abriel, Adan, Adnachiel, Adonael, Adriel, Ahayah … dies ist erst ein Hundertstel der Namen auf A. Wer wäre imstande, diese schrecklichen Namensstränge der Engel bis zu den letzten Zetachiel, ­Ziquiel, Zoeniel, Zuriel, Zutiel, Zymeloz auswendig zu lernen? Da möchte ich schon eher die Liste der 126 Teufel empfehlen, die einen um einiges kürzeren Schwanz hat.

Aber die verrückteste Liste, die versteckteste, närrischste und am unmöglichsten zu archivieren, findet sich im berühmten Kapitel i.8 des «Finnegans Wake» mit dem Titel Anna Livia Plurabelle. Um einen Eindruck des gurgelnden Flusses Liffey zu vermitteln, hat James Joyce den Text mit 126 Flussnamen aus allen Ecken der Welt überflutet. Derjenige, der sich abmüht, all diese Flüsse zu identifizieren und ins Rheine zu bringen, versinkt im Sumpf, der Text beginnt zu bocken, die Wörter spielen, spielen Verstecken, werden flüssig, fliessen durch die Finger, kopulieren und nach einer Weile sind mehr Namen da, als der Autor einschliesslich des Gefolges an Literaturwissenschaftlern sich in ihre Schädel gestopft haben, und wenn die Übersetzer noch zu planschen anfangen mit der Anna Livia Plurabelle, beginnen die Wörter zu brodeln, die babylonische Verwirrung wird göttlich und die Archivare können einpacken. Was? – Ihr kennt Anna Livia, die Wäscherin nicht? O tell me all about Anna Livia! I want to hear all about Anna Livia. «Na, ihr kennt Anna Livia? Aber ja, wir alle kennen Anna Livia. Sag mir alles. Sag es mir gleich. Du kugelst dich, wenn du’s hörst. Na, du weisst, als der alte Kjärl fehltrat und tat, was du weisst. Ja, weiter, das weiss ich. Etsch los und spree mich nicht an. Krempel hoch, lass die Redseele locker. Und steiss mich nicht – halt! – wenn du riffelst. Oder was das wohl war, was die Drei sich erdachten, was den Zweien er tat, da im Viechspark. Durchtriebener Schurke! Guck mal das Hemd auf ihm! Guck mal den Dreck an dem! Al main Wasser verpasst er mir schwarz. Und geweicht und gewindelt seit heut vor ner Wanne. Weiss nicht, wie oft er’s getrübt hat, seit letzter Wash. Ausfindig wüsst ich die Orbe, wo er sich sulmt, der ddreckige Deibel.»4