Schützenhilfe. Kriminalroman
Dazu müsste erst einmal ein ganz grosser Auftrag her.
Normale Aufträge gab es zuhauf. Es war kaum zu fassen, was die Leute über andere in Erfahrung bringen wollten – und wie viel sie dafür hinblätterten. Da gab es Chefs, die wollten wissen, wo ihre Aussendienstmitarbeiterinnen ihren Arbeitstag verbrachten, und verharrten im Argwohn, selbst wenn sich zeigte, dass die Mädchen ihr Gebiet gründlich abgrasten und ihre Mandanten nett beschwatzten, um Bestellungen für überteuerte Produkte hereinzuholen. Da gab es Väter, die bezahlten bar, um Auskünfte über den Freund ihrer Tochter zu bekommen. Und ich staunte, wie viele Frauen es gab (und gibt), die keine Vorstellung davon hatten, wo, wie oft und vor allem in welcher Form ihre treuen Ehegatten auswärts Sex kauften. Der Mann gab mit einer kleinen Unachtsamkeit Anlass zu Verdächtigungen, die Frau quälte sich für drei, vier Wochen, dann rief sie einen Profi an.
Mich.
Meine Aufgaben bestanden darin, Informationen zu beschaffen. Ich war stets darauf bedacht, die Dinge weder zu beschönigen noch zu verschlimmern, höchstens ein wenig zu vereinfachen und, ja, manchmal zu kürzen. Wenn eine Aussendienstmitarbeiterin sich anschickte, nebenbei ihr eigenes Geschäft aufzubauen, konnte das – von mir als unwichtiges Detail erachtet – im Bericht unerwähnt bleiben. Andererseits holte ich Auskünfte über den mutmasslichen Schwiegersohn auch dann noch ein, wenn sich die Tochter längst einem anderen hingab. Die Gefahr, dabei ins Abseits zu geraten und unglaubwürdig zu scheinen, stufte ich als gering ein, denn, um beim Beispiel «Schwiegersohn» zu bleiben: Keine Tochter erzählt zuallererst ihrem Vater, dass sie einen neuen Freund hat.