Schützenhilfe. Kriminalroman
Als Polizist nehmen sie jede Untat, jedes Vergehen als persönliche Beleidigung und ahnden streng, kleinlich und unnachsichtig. Sie verspüren eine tiefe Befriedigung, sobald sie eine Person eines Vergehens überführen können. Sie wähnen sich immerzu auf der Seite des Rechts und halten sich gar für das Mass oder die Norm des Rechts, als hätten sie es geschaffen, führen sich auf wie Vollstrecker statt Vollzieher.
Am unerträglichsten sind diese Menschen, wenn sie an der Macht sind, wenn sie Herr sind über ein Heer von Polizisten. Gerade in dieser Stadt gab es zu jener Zeit einen Polizeivorsteher, der hiess die Stadtpolizei selbst dann einschreiten, wenn etwas nur schon nach Verbrechen oder Sünde roch, und er bezichtigte jede Verharmlosung der Mitschuld. Oft war sein Blick getrübt oder beschränkt, weil er die Gesetze vor dem Gesicht trug, statt im Kopf.
Seinesgleichen geniessen wenig Vertrauen in der Bevölkerung, und ohne Vertrauen wird jede Aktion gegenüber Menschen, jedes Eingreifen oder Einschreiten vom Publikum als Beleidigung empfunden; das wusste schon Konfuzius. Ich hatte mich oft über die Kurzsichtigkeit des Kerls gewundert; wie erbärmlich musste sein Alltag, sein Privatleben ausgesehen haben: Alles, was für ihn zählte, war erstens Sicherheit, zweitens Sicherheit und drittens Sicherheit. Jede Bewegung, jeder Aufruhr, jeder Krawall war für ihn ein Zeichen des Niedergangs, der Verwahrlosung, des Zerfalls. Toleranz, Freizügigkeit und Nachsicht waren für ihn Merkmale der Schwäche. Kurz: Für ihn war alles, was Menschen bewegt, was sie zusammen- oder auseinanderbringt, gefährlich und konnte nur mittels rigorosem Durchgreifen unterdrückt und bewältigt werden. Er war auf seine Weise so unerträglich wie jeder religiöse Fanatiker.