Im eigenen Land. Reportagen
Nach dem Verhör hört man lange nichts mehr von der Armee. Die lassen uns schmoren. Oder haben sie es vergessen? Aber nicht doch. Fast ein Jahr später kommt der Einschreibebrief, auf dem Umschlag ein Prägedruck DER GENERALSTABSCHEF. Also nicht militärische Justiz gibt Bescheid, sondern die militärische Exekutive; juristisch hochinteressant. Jörg Zumstein schreibt: «Im vorliegenden Fall steht gemäss Artikel 195 Absatz 2 MStG die Disziplinarstrafgewalt dem Eidgenössischen Militärdepartement zu. Dieses hat gestützt auf Artikel 94 Absatz 1 Satz 2 MStV mit Verfügung vom 10. Oktober 1984 die Disziplinarstrafgewalt dem Generalstabschef übertragen.» Der Generalstabschef hat Gewalt über Zivilisten, und der Gnädige Herr kann entscheiden, wie er will, nach seinem Gewissen und Geschmack (Zumstein betätigt sich nach Feierabend als Sektenprediger auf ländlichen Kanzeln). Nach ihm kommt nur noch Gott, eine irdische Appelationsinstanz gibt es nicht.
Und er war gnädig, der Gnädige Herr. Er liess Gnade vor Recht ergehen. Obwohl die Delinquenten «es in pflichtwidriger Unvorsichtigkeit unterlassen haben, sich vor der Veröffentlichung des Berichtes zu vergewissern, ob darin ein Verstoss gegen die militärischen Geheimhaltungsvorschriften vorliege oder nicht, ist Ihnen zu glauben, dass Sie nicht mit Wissen und Willen gegen das Bundesgesetz vom 23. Juni 1950 über den Schutz militärischer Anlagen verstossen wollten». Von einem Gesetz, das weithin sichtbares und veraltetes militärisches Spielzeug zum Geheimnis erklärt, konnten wir allerdings nichts wissen, also konnten wir auch keine «pflichtwidrige Unvorsichtigkeit» begehen. Aber immerhin, «Trotz Antrags des Untersuchungsrichters verzichte ich als Inhaber der Disziplinarstrafgewalt nach Würdigung aller Umstände und in Anwendung von Artikel 181a Absatz 3 MStG auf die Ausfällung einer Disziplinarstrafe in der vorliegenden Angelegenheit, und zwar aus folgenden Erwägungen: