Pionier und Gentleman der Alpen. Das Leben der Bergführerlegende Melchior Anderegg (1828-1914) und die Blütezeit der Erstbesteigungen in der Schweiz
1838 steigt die französische Comtesse Henriette d’Angeville auf den höchsten Alpengipfel. Nachdem das erste «Frauenzimmer» auf dem Mont Blanc, Marie Paradies, 1808 ab dem Grand Plateau getragen und am Seil gezogen worden ist, will sie die Anstrengungen bis zuoberst aus eigener Körperkraft bewältigen und lässt sich dafür «Mannskleider» anfertigen – weite Hosen, die sie unter einem langen Mantel trägt und erst am Berg anzieht, damit sie Chamonix noch in betont femininer Kleidung verlassen kann. Im Gepäck hat sie Kölnischwasser, einen Fächer, einen Schuhlöffel, Thermometer und Fernglas, sowie einen Spiegel, um die Gesichtshaut auf Sonnenbrand hin zu kontrollieren, damit rechtzeitig Gurkencreme zur Kühlung aufgetragen werden kann. Beim Aufstieg kommt sie an die Grenzen ihrer Kräfte. Eine «unwiderstehliche Müdigkeit» zwingt sie zu einer kurzen Schlafpause. Den Gipfel schafft sie dennoch. Dort soll sie sich auf die Schultern ihrer Führer gesetzt haben, damit sie eineinhalb Meter höher gewesen sei als alle vor ihr.