Pionier und Gentleman der Alpen. Das Leben der Bergführerlegende Melchior Anderegg (1828-1914) und die Blütezeit der Erstbesteigungen in der Schweiz
So wundert es wenig, dass in diesen Jahren, wo Schweizer gezwungen sind, Heu zu essen, Katzen und Hunde als seltene Delikatessen gelten, in der alpinistischen Technik ein deutlicher Rückschritt zu verzeichnen ist. Jungfrau und Finsteraarhorn sind seit den Meyers nie mehr angegangen worden und fast schon in Vergessenheit geraten. Erst 1827 nimmt Gletscherforscher Franz Josef Hugi, Professor am Gymnasium und Direktor des Museums in Solothurn, einen erneuten Anlauf auf die Jungfrau, dann auch mehrere auf das Finsteraarhorn. Er scheitert bei all seinen Versuchen. Den Finsteraarhorn-Gipfel erreichen 1829 seine Haslitaler Bergführer. Er selber muss wegen eines verstauchten Knöchels im Sattel zurückbleiben.
Bemerkenswert sind nicht nur Hugis Komplikationen am Berg, sondern auch jene im Tal. Im Lötschental begegnen die Einheimischen Hugi und seinen Begleitern höchst misstrauisch. Sie können sich nicht vorstellen, dass die Männer den weiten Weg unter die Füsse genommen haben, nur um Gletscher zu erforschen. So etwas hat man hier noch nie gehört. Man glaubt, sie seien Viehdiebe, Schmuggler oder anderes Gesindel. Keiner will ihnen Unterkunft geben. «Die Walliser staunten mächtig über unsere Ankunft von jenen weissen Himmelshöhen herab», schreibt Hugi in «Naturhistorische Alpenreise». «Zwischen den Dörfern Zneisten und Platten hielt ich mit meinen acht Trägern am Bache, in hohes Gras gelagert, noch einen Abendtrunk. Wie die Einwohner unser aufgepflanztes Fass, die Hutten und Reisegeräthschaften sahen, und Peter einige Worte von Krieg fallen liess, wurde es ihnen unheimlich. Ein altes Mütterchen kreuzte sich und eilte so schnell als möglich vorbei. Überhaupt sah ich wohl, dass man wenig Gutes uns zutraute. In Kippel, wo der Pfarrer zugleich Wirth ist, wurden wir erst nach langer Deliberation mit den Nachbarn ins Haus gelassen. Wohl eine halbe Stunde sassen wir so ungewiss auf der Mauer des Kirchhofes. Meine Gefährten waren aber alle von ungewöhnlicher Grösse, Baumann tüchtig benarbt, und die meisten so bebartet, dass ihre Kraftgesichter und der ganze muskulöse Gliederbau wohl geeignet war, Besorgnisse zu erregen.»