Pionier und Gentleman der Alpen. Das Leben der Bergführerlegende Melchior Anderegg (1828-1914) und die Blütezeit der Erstbesteigungen in der Schweiz
WIRTSCHAFTSKRISE, KALTE WINTER, HUNGERJAHR
Trotz des alpinistischen Enthusiasmus’, den Saussure mit dem Mont Blanc ausgelöst hat, kommt die Bewegung ins Stocken. Man hat dringendere Probleme in der Folge der napoleonischen Kriege. Zwischen 1806 und 1814 verhängt der französische Kaiser eine Wirtschaftsblockade über die britischen Inseln – als Antwort auf die vorangegangene britische Seeblockade der französischen Küste. Dadurch geraten die Handelsbeziehungen fast aller Länder des Kontinents ins Schleudern, allen voran Frankreich selber. Am wenigsten trifft die Sperre jedoch Grossbritannien, es findet sogleich neue Absatzmärkte. In der Schweiz ist insbesondere die Textilindustrie betroffen, in der auch die Meyers aus Aarau tätig sind. Statt weitere Gipfel zu besteigen und Reliefs zu erstellen, müssen sie sich um das Überleben ihrer Fabrik kümmern. Alleine in der Schweiz werden gegen 200 000 Weber und Sticker arbeitslos.
Zudem bewirken klimatische Einflüsse grosse Katastrophen: Nach zwei ausserordentlich harten Wintern spuckt 1815 in Indonesien der Vulkan Tabora so viel Asche aus, dass danach achzehn Monate lang weltweit kaltes Wetter herrscht. 1816 wird «das Jahr ohne Sommer». Es schneit jeden Monat bis auf mindestens achthundert Meter herab. Darauf folgt eine Wärmeperiode mit rascher Schneeschmelze und Überschwemmungen. Die Missernten führen zu fürchterlichen Zuständen – auch in der Schweiz. In Sankt Gallen verhungern zwischen 1816 und 1817 sechstausend Menschen, Appenzell verliert sechs Prozent der Bevölkerung.