Wintertauber Tod. Ein Tanner-Kriminalroman
Nein, habe ich noch nie gehört. Stimmt das denn?
Natürlich stimmt das. Das genau ist ja heute das Problem.
Was ist das Problem?
Dass es zumeist dieses Dorf nicht mehr gibt.
Welches Dorf meinst du?
Michel sprach mit vollem Mund. Er war so aufs Essen konzentriert, dass sein Gehirn wieder einmal ausgeschaltet war.
Tanner seufzte.
Also, soll ich es dir wirklich erklären?
Selbstverständlich. Ich lerne gern dazu.
Mit dem zitierten Satz ist die Erkenntnis gemeint, dass ein Kind, um die Vielfalt des Lebens und vor allem auch die Vielzahl der notwendigen Verhaltensregeln zu lernen und zu verinnerlichen, eine gewisse Anzahl miteinander kommunizierender Menschen braucht, die es über eine lange Zeitspanne seines Lebens hautnah erleben und damit auch die Fähigkeit entwickeln kann, die verschiedensten Arten von Beziehungen aufzubauen. Traditionell gehören – neben den Eltern und vielen Geschwistern – die Großeltern, möglichst viele Großtanten und Großonkel, Tanten und Onkel, Cousinen und Cousins dazu. Sowie Nachbarn, Freunde und Bekannte. Ein ganzes Universum eben, auf das sich ein Kind beziehen kann, und von dem es gleichsam allmählich geformt und erzogen wird. Die Regeln, die zum Beispiel die Eltern aufstellen, können vom Kind in genau dieser Form oder als Varianten bei den anderen erlebt werden. Und so lernt der kleine Mensch sinnfällig durch gelebte Beispiele und wird durch ein vielfältiges Beziehungsnetz mit sich und der Welt konfrontiert. Er lernt die Regeln, all die Codes, er lernt Einfühlung und so weiter. Verstehst du, Michel? Soll ich noch eine neue Marmelade aufmachen?