Blindgänger. Roman

Ein Unfall also. Sie fügte an, dass das Laptop lief, als sie ins Zimmer kam, sich jedoch später ausgeschaltet hatte, Akku leer. Die Frau zögerte, nervös, wollte seine Hand ergreifen und brach rechtzeitig ab, er ertrug keine Berührung. Seine Sinne reagierten überscharf, unterfordert, wie sie waren, sie vermochten keinen Eindruck mit Erlebtem zu vergleichen, besonders Geruchssinn und Tastsinn. Die ganze Haut schien ihm in ständiger Alarmbereitschaft.

Der wahre Schock stand ihm noch bevor. Zwei Ta­ge nach dem Aufwachen hatten sie all die hinderlichen Schläuche entfernt und ihn von der Intensivstation auf die Medizin verlegt. Er fühlte sich fit, hatte bloß seitlich eine kleine Platzwunde am Kopf, er konnte aufstehen. So erlebte er beim Betreten der Toilette den zweiten Schlag. Aus dem Spiegel über dem Waschbecken blickte ihn ein Mann an, dem das blanke Entsetzen im Gesicht stand.

Langsam hob er seine Hände, der Unbekannte im Spie­gel fixierte ihn. Er sah, wie beide Hände über die stoppeligen Wangen strichen, die Haut noch mit einer Sommerferienrestbräune, die Mundwinkel zuckten, die Finger pressten auf jeder Seite die Schläfen, die Augenlider flatterten kaum merklich, der Mann im Spiegel hatte auffäl­lig blaugrüne Augen. Die Finger spreizten sich und strichen die dunklen, bereits stark angegrauten Strähnen zurück, die ins Gesicht fielen. Ein Haarschnitt war überfällig.