Blindgänger. Roman
In der zweiten Hälfte des Vormittags hat jeder sein Projekt kurz vorgestellt, als Leistungsnachweis für das Kursdiplom wird eine selbständige Recherche zu einem lokalen Thema mit Präsentation in der Klasse verlangt. Einige haben sich bereits bei der Vorstellung ihres Vorhabens in Details verloren, das lässt Schlimmes für die Schlusspräsentation ahnen. Er selber hat auch ein bisschen ausholen müssen. Seit er vor Jahren in der Bretagne die ersten Bunkerruinen des ehemaligen Atlantikwalls entdeckte, habe er den Wunsch, mehr über das gigantische Küstenbefestigungsprojekt der Deutschen aus dem Zweiten Weltkrieg zu erfahren. Überall in den Dünen hier gebe es die Überreste der Bunker, die nun malerisch im Sand versinken. Der Bau der Befestigungsanlagen sei auch der Grund für die katastrophalen Zerstörungen der französischen Küstenstädte durch die alliierten Bomber gewesen. Er wolle deshalb mehr über die Jahre der deutschen Besatzung und die Befreiungskämpfe hier in der Region wissen.
Mit Genugtuung bemerkte er, wie die Kursleiterin hellhörig wurde. Kein Wort selbstverständlich, dass der Atlantikwall nur als Vorwand dient. So kann er die Recherche gleich mit seiner Familiensuche verbinden. Sein Blick in die Runde ist am Schluss bei der Kursleiterin Françoise hängengeblieben, sie würde er gerne beeindrucken. Ein anspruchsvolles Thema, sie hat ihm anerkennend zugenickt, gerne gebe sie ihm Tipps für Quellenmaterial, sie habe selber ausführlich dazu recherchiert. Sie lächelt. Nur für ihn. Seine Hände sind augenblicklich kaltfeucht, ein Wunder, dass er nicht stottert, und ein Glück, dass die zu langen Haare die glühenden Ohren verdecken.