Blindgänger. Roman

Ungeheuer mutig ist es doch, nach bald zwanzigjähriger Ehe erstmals für fast drei Monate, elf Wochen, um es ganz genau zu nehmen, wieder allein zu leben, in ei­ner fremden Stadt und ohne vertrauten Arbeitsrhythmus. Immer mulmiger wurde ihm zumute in den letzten Monaten, als der Wunschtraum des Wegfahrens, das Wort Flucht war auch in Gedanken tabu, Schritt für Schritt Wirklichkeit wurde.

Und nun liegt der erste bedrohlich leere Nachmittag allein in einer fremden Stadt vor ihm. Vorsorglich hat er eine lückenlose Beschäftigung programmiert. Mit Listen, nach Prioritäten geordnet, bewältigt er zu Hause seinen Alltag, sie entfalten bestimmt auch hier ihre Wirkung:

Meer

nächstgelegene Bäckerei

Markthalle Öffnungszeiten

Maison de la Presse, deutsche Zeitungen?

Internetcafé

Das Internetcafé braucht er, weil es in der Ferienwohnung wie erwartet keinen Internetanschluss gibt und Internet für seine Recherchen unerlässlich ist. JP weiß seit dem Osterbesuch bei der Mutter, dass seine Herkunft mit großer Wahrscheinlichkeit hier in der Gegend liegt, seither ist er hochgradig beunruhigt. Hat er Royan wirklich nichts ahnend für seinen Weiterbildungsurlaub gewählt – alles war längst organisiert, als er an Ostern davon erfuhr –, oder lenkte eine Vorsehung perfide die Entscheidung? Wer zieht die Fäden, Schicksal oder Zufall?