Blindgänger. Roman
Wenn er danach ins Badezimmer geht, zieht bereits Kaffeeduft durch den Korridor. Jeden Morgen ärgert er sich über den Duschvorhang, der an seinem nassen Körper klebt. Vor dem Rasieren ein prüfender Blick in den Spiegel, schwere Augenlider heute, das hingegen ist nicht jeden Morgen der Fall. Anzeichen des Alters. Im Schlafzimmer faltet er die sperrigen Holzläden des Fensters zurück, heute grau verhangener, windstiller Himmel. Kaffee trinken, Zeitung von gestern nochmals durchblättern, meist ist danach bereits halb neun, Zeit sich langsam bereit zu machen, um neun beginnt der Unterricht, für den Weg braucht er kaum zehn Minuten, er mag aber nicht zu knapp eintreffen, man plaudert vorher noch ein bisschen herum. Heute ist kein Unterricht, sie sollen an ihren Projekten arbeiten.
Sein Alltag läuft am Schnürchen, ohne dass er den Kopf noch benötigt. Wann kippt das, wann beginnt beim Ungewohnten das «Un» zu verblassen und sich in das Gewohnte aufzulösen? Nach etwa zwei Wochen. Die Zeit der ersten Tage an einem fremden Ort ist dehnbar, sie kann unendlich viel aufnehmen und in Erinnerung umwandeln. Nur einer, der fremd ist, sieht die Dinge. Nur einer, der sich selbst fremd wird, sieht sich wieder.