Pionier und Gentleman der Alpen. Das Leben der Bergführerlegende Melchior Anderegg (1828-1914) und die Blütezeit der Erstbesteigungen in der Schweiz

Heute, wo befahrbare Strassen bis in die hintersten Winkel der Seitentäler führen und Bahnen viele hundert Höhenmeter Auf- und Abstieg erleichtern, kann man sich kaum noch vorstellen, mit welchen Schwierigkeiten die Bergsteiger im «Zeitalter der Eroberungen» zu kämpfen hatten. Wie reich an Mühseligkeiten und Fährnissen die Alpenreisen, selbst auf den gangbarsten Pfaden, gewesen sind. Als der junge Haslitaler Melchior Anderegg Anfang der 1850er-Jahre seine ersten «Herren» in die vergletscherten Höhen seiner Heimat führt, steckt der Alpinismus noch in den Kinderschuhen. Es gibt weder reissfeste Seile noch atmungsaktive Kleidung, weder Clubhütten noch verlässliches Kartenmaterial. Etliche Gipfel haben keinen offiziellen Namen. Man weiss nicht einmal sicher, welche Gefahren in dieser Terra incognita lauern, geschweige denn, wie man ihnen begegnen soll. Die Vertrautheit mit den hohen Bergen muss erst noch gefunden und erprobt, der Umgang mit Sturm und Nebel, Gletscherspalten und schmalen Felstritten erarbeitet werden.