Pionier und Gentleman der Alpen. Das Leben der Bergführerlegende Melchior Anderegg (1828-1914) und die Blütezeit der Erstbesteigungen in der Schweiz

Während sich bereits zu den alpinistischen Anfangszeiten viele Männer an bergsteigenden Frauen stören, zeigt Melchior nie ein Problem mit ihnen. Mehrere Damen gehören zu seinem Kundenkreis. Einmal wurde er gefragt, wie er denn eine Lady über eine Gletscherspalte locke. Anderegg antwortete scherzend: «Nun, ich gehe voraus. Dann nehme ich ein Zucker-Bonbon aus dem Hosensack, strecke es ihr entgegen und sage: Komm, komm, komm! Und sie kommt sofort.»

Lucy Walker, die erste Frau, die regelmässig ins Hochgebirge steigt, unternimmt ihre Touren ausschliesslich mit Melchior Anderegg. Unter seiner Führung steht sie als allererste Frau auf dem Matterhorn und weiteren Viertausendern. Sie pflegen eine jahrelange innige Freundschaft. Auf die Frage, weshalb sie nie geheiratet habe, soll die sehr vermögende Lucy Walker geantwortet haben: «Ich liebe die Berge und ich liebe Melchior, aber er hat schon eine Frau.»

In der Schweiz geht Melchior Anderegg als «Glanzgestirn» in die Geschichte ein, bei den Engländern als «King of the Guides» – «König der Bergführer». Ein Titel, der von der ersten Führergeneration nie zugunsten eines anderen angefochten worden ist.