Derborence
In früherer Zeit dagegen zogen sie in großer Zahl hinauf, nach Derborence; ja man versichert, dass es gegen hundert waren, die hinaufzogen.
Sie stiegen durch die Schlucht, die sich am anderen Ende zur Rhone hin öffnet; sie kamen von Aïre und von Premier, das sind hoch gelegene Walliser Dörfer am Nordhang des Rhonetals.
Sie brachen gegen Mitte Juni auf mit ihren kleinen braunen Kühen und mit ihren Ziegen; sie hatten droben zum eigenen Gebrauch viele Hütten aus ungepflastertem Stein mit Schieferdächern gebaut; dort blieben sie zwei, drei Monate.
Diese Weidgründe waren in jener Zeit vom Mai an schön grün gefärbt, denn dort oben führt dieser Monat den Pinsel.
Dort oben (man sagt «dort oben», wenn man vom Wallis kommt, aber wenn man von Anzeindaz kommt, sagt man «dort drüben» oder «dort hinten») ließ der Schnee dicke Polster zurück bei der Schmelze; an ihrem Rand, in der schwarzen Feuchtigkeit, die das alte Gras mit einer Art mattem Filz halb verdeckte, ließ er allerlei kleine Blumen hervorkommen; sie öffneten sich am äußersten Rand einer Eisborte, die dünner als Fensterglas war. Allerlei kleine Bergblumen mit ihrer besonderen Leuchtkraft, ihrer besonderen Reinheit, ihren besonderen Farben: weißer als der Schnee, blauer als der Himmel, strahlend orange oder violett: Krokusse, Anemonen, Apothekerprimeln. Sie bildeten von fern gesehen zwischen den grauen Schneeflecken, die sich zusammenzogen, andere Flecken, die in der Sonne glänzten. Wie auf einem Seidentuch, wie auf den Tüchern, welche die Mädchen in der Stadt unten kaufen, wenn sie zum Markt gehn, am Peterstag oder am Josephstag, und die übersät sind mit kleinen Sträußen. Dann verwandelte sich auch der Grund des Stoffs, wenn der Schnee endlich ganz geschwunden war. Alles wurde grün: das Gras kommt wieder hervor; das ist, wie wenn der Maler zuerst grüne Farbe hätte von dem Pinsel tropfen lassen, und die Tropfen flößen dann ineinander.