Steinschlag. Andrea Stamms erster Fall
«Du machst dich absichtlich hässlich», hatte Stef gelegentlich bemerkt. Wenn er nicht seine zärtliche Anwandlung hatte und sie die schönste Frau der Welt fand mit dem stärksten Busen und den tiefsten Augen. Bloss eine Spur zu klein, um als Model Karriere zu machen. Mit einer neckischen Neigung zur Rundheit, wie sie Männer so lieben. Scheissmänner! Sie war jedenfalls gross genug, um in der Wand Griffe zu erreichen, mit elastischen Zügen, die der hochgeschossene Lackel niemals packte. Sie war klein, stark, ein Kraftpaket, eine gespannte Feder. Schön oder hässlich, es war einerlei.
Andrea ging ins Bad, rieb den Ellbogen mit Salbe ein. Er schmerzte noch immer. «Bergführerin in ihrer Wohnung abgestürzt!» Sie stellte sich die Schlagzeile in der Sonntagszeitung vor. Echt zum Grölen. Doch in der Zeitung stand wohl eine andere Nachricht. «Frau auf Wanderung von Stein erschlagen!»
Die Wohnung war ein Käfig geworden, in dem sie ziellos umhertigerte. Wohin sie auch schaute, sie sah die Frau auf ihrem kalten Totenbett liegen. Gross, schlank, mit rötlich schimmerndem Haar und teuren Kleidern, Marke Kleeblatt. Eine schöne Frau. Sie wusste nicht einmal ihren Namen.