Schweizerspiegel. Roman
Wille begann dem Kaiser den Stand der Übung darzulegen, indem er bald auf die Karte wies, bald in das Gelände hinausdeutete. Vor ihnen lag unter dem blauen Septemberhimmel eine mannigfaltige weite Landschaft mit Hügeln, Wäldern, Schluchten und Wiesentälern, mit leuchtend grünen Flächen, schattigen Gründen und kleinen, flach hinziehenden Nebeln, die in der schräg einfallenden Morgensonne weiß aufschimmerten und verdampften, das Anmarschgelände der blauen Division. Sie selber standen auf dem wichtigsten Punkt der roten Stellung, der sechsten Division, die sich in der Nacht hier auf den Höhen südlich von Kirchberg mit leicht nach Westen und Osten abgebogenen Flügeln, mit der Hauptfront nach Süden, zur Verteidigung eingerichtet hatte. Die Infanterie war eingegraben, da und dort ließ sie ihr Gewehrfeuer spielen, das den vortastenden gegnerischen Patrouillen galt, und über die Schützengräben hinweg donnerten bereits die Kanonen nach den Hauptkräften des Feindes. Der blaue Gegner hatte sich, mit zwei Brigaden in der Front, in einem mächtigen Halbkreis schon bedrohlich nahe an die rote Stellung herangearbeitet; er zeigte Angriffsabsichten und begann eben jetzt von verschiedenen Punkten her mit der artilleristischen Vorbereitung. Prächtige, lehrreiche Bilder von Angriff und Verteidigung waren zu erwarten, oder wären unter gewohnten Umständen zu erwarten gewesen. Die immer noch wachsende Masse der Manöverbummler aber drohte nun alles zu vereiteln; nicht nur den Hügel, auf dem man hier stand, umgaben sie in dichten Scharen, sie hatten auch die benachbarten Höhen besetzt und wimmelten überall durch die Kampfzone, ungezählte neugierige Menschen, die nach Zehntausenden zu berechnen waren. Sie zerstörten die Illusion eines wirklichen Kampfes, die notwendig ist, wenn die Übung nicht zum Gefechtsexerzieren oder gar zur Spielerei werden soll, sie verleideten der Truppe das kriegsgemäße Verhalten und ironisierten durch ihre bloße Gegenwart die eben dargelegte Lage.