Schweizerspiegel. Roman
«Immer derselbe!» dachte er, während er mit erzwungenem Gleichmut das Haus verließ. «Er bringt es nicht fertig, mit seinesgleichen auf eine menschenwürdige Art zu verkehren. Ein unausstehlicher Kerl, und wenn er noch einmal so tüchtig und noch einmal so gerecht wäre!»
Er schlug sich die Angelegenheit samt dem Divisionär aus dem Kopf und dachte auf dem Heimweg an andere unerledigte Dinge, so wie sie ihm eben einfielen, und es war ein ganzer Schwarm. Obwohl er seine Anwaltspraxis aufgegeben hatte, führte er ein sehr tätiges Leben. Parlamentstagungen in Bern, Fraktions- und Kommissionsberatungen, parteipolitische Aktionen, Verwaltungsratssitzungen, Brigadesorgen und taktische Kurse nahmen ihn fortwährend in Anspruch.
Indes er nun an einen seiner Fraktionskollegen dachte, trat ihm aber plötzlich die brutale Gestalt des Divisionärs wieder vor Augen. Jener Kollege hatte eines fröhlichen Abends scherzhafterweise angedeutet, mit einem Divisionär als Schwager sei es leicht, militärisch vorwärtszukommen. Er lächelte bitter bei diesem Gedanken. Als ob Boßhart ihn jemals ernstlich begünstigt hätte! Das Gegenteil wäre leichter zu beweisen gewesen. Nein, der Oberstbrigadier Ammann hatte alles sich selber zu verdanken, seiner eigenen Energie, seiner Intelligenz, seiner Fähigkeit zu klaren Dispositionen, seiner glücklichen Hand und schließlich, warum nicht, auch seinem menschlichen und bürgerlichen Ansehen. Dabei war er kein so ruppiger Kerl geworden, sondern ein menschenfreundlicher, demokratischer Mann geblieben, der seine Untergebenen achtete. Solche Männer hatte die Schweizer Armee nötig. Man konnte die hohen Führerstellen nicht ausschließlich Berufsoffizieren überlassen.