Schweizerspiegel. Roman
Mit diesem Boßhart hatte es freilich eine eigene Bewandtnis. Er besaß nichts von jenem Instruktorendünkel, in dem sich ein paar jüngere Herren gefielen, er gebärdete sich nicht einmal preußisch, wie Hartmann mit seiner Potsdamer Dienstzeit. Wenn er in diesem Sinne wenigstens ein Preuße gewesen wäre! Aber er war etwas ganz anderes, es ließ sich schwer begreifen was, und er besaß eine unheimliche Autorität. Sicher war nur, daß ihm jedes humane Gefühl abging, nicht zu reden von Leutseligkeit oder gar von Gemütlichkeit, obwohl er auch kein Asket war, sondern im Gegenteil gern gut aß, sogar schwere Mengen und, wenn es darauf ankam, ohne zu wanken den ganzen Divisionsstab unter den Tisch trank.
Ammann konnte diesen Mann nicht verstehen, er hatte ihn nie verstanden. «Er ist ein Unmensch, ein Scheusal!» dachte er und betrat verärgert sein schönes Haus.
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Paul war endlich heimgekehrt, von der Mutter herzlich empfangen, vom Vater in einem kühlen, vorläufigen Tone kurz begrüßt, und jetzt trat er seit langer Zeit zum erstenmal wieder gemeinsam mit den Eltern zum Mittagessen an. Er war etwas kleiner als Fred, doch ebenso schlank, und glich in der Form seines intelligenten, magern Gesichtes am ehesten der Mutter; nur Severin, der Älteste, besaß Vaters Züge, während Fred mit seinem Knabengesicht überhaupt niemandem glich. Einigermaßen auffallend an Paul war seine müde Haltung, die auch in seiner Miene zum Ausdruck kam, doch konnte man im ersten Augenblick zweifeln, ob diese Müdigkeit echt oder gespielt war; sie hing kaum mit diesem gesunden, geschmeidigen Körper zusammen, war aber freilich echt und wurde nur vielleicht ein wenig unterstrichen. Mit lässigen Bewegungen nahm er am Tische Platz und ließ sich von Mama Suppe in den Teller schöpfen.