Blindgänger. Roman

Er vermied es, sie anzublicken, bereits zum dritten Mal bogen sie nun in den Weg ein, der sich zwischen ausladenden Rhododendrenbüschen windend zur Lichtung mit der Statue führte. Es war unwichtig, welchen Weg man einschlug, irgendwann kam man in diesem Park immer an den Ausgangspunkt zurück. Was sie mit Eheauszeit gemeint habe?

Die Frau war unzufrieden mit ihrer Ehe, er sei immer ausgewichen, seine Absicht, ohne sie zu fahren, hatte sie so gedeutet. Sie hoffte auf einen Neuanfang, das einzig Positive, das sie seinem Urlaub abgewinnen konnte. Wenn schon mehr als zwei Monate allein zu Hause mit der pubertierenden Tochter, mit Arbeit, Haus, Garten, wollte sie herausfinden, ob sie alles alleine schaffe, als Rückversicherung. Dass sie sich nicht aus Angst vor dem Alleinsein an eine Beziehung klammerte, die es nicht mehr wert war. Sie rechnete sehr wohl mit der Möglichkeit, dass die mehr als zehnwöchige Trennung ihre Beziehung nicht wiederbeleben, sondern die Entfremdung besiegeln könnte.

So war das also, er habe endlich begriffen, warum seine Amnesie mehr Ratlosigkeit als Verzweiflung bei der Frau auslöste. War es möglich, dass sie sich bereits getrennt hatten, dass da andere Beziehungen waren, sie, oder er? Was, wenn der Andere eine Affäre hatte, die jetzt irgendwo verzweifelt auf Nachricht wartete? Es ließe sich manch hübsches Melodrama zusammenfantasieren. Aber kann eine Beziehung weitergeführt werden, wenn der eine die Geschichte der Beziehung kennt, der andere nicht? All die Paare, die nur noch von der Geschichte ihrer Liebe leben. Was bleibt nach zwanzig Jahren Ehe, wenn die Erinnerung weg ist und nicht wieder kommt? Nur ein Neuanfang, aber dazu müsste er sich neu in die Frau verlieben. Er war weit weg davon.