Blindgänger. Roman

Also habe er sich alleine auf die Bank gesetzt, die Arme verschränkt und die Beine gestreckt, passender Moment für eine Zwischenbilanz. Mehr als zwei Wochen war er nun hier, er habe die Besuche Revue passieren lassen, die Frau kam heute zum dritten Mal, vor drei Ta­gen war überraschend der Bruder erschienen. Sein Besuch dauerte nur kurz, es gab wenig zu sagen, von seiner Seite ohnehin nichts, aber auch der Bruder blieb merkwürdig wortkarg, die Brüder schienen nicht sehr verbunden zu sein.

Er habe versucht, die verschiedenen Gespräche wieder aus dem Gedächtnis abzurufen, schwierig, Kopfschmerzen kündigten sich sofort an. Er notiere deshalb nach jedem Gespräch sorgfältig, was er als behaltenswert erachte. Er hielt die Hand hoch, in der sich die Heftrolle gerade befand. Sich Neues zu merken erweise sich als äußerst anstrengend. Er könne das Gehörte nicht mit Bildern verknüpfen, auch nicht mit Tönen oder Gerüchen.

Das Mädchen sei gestern zum zweiten Mal gekommen, sie mochte ihren Papa und habe es ihm offen gesagt, vermutlich keine Selbstverständlichkeit bei einer Sechzehnjährigen. Sie hatte ihren schulfreien Nachmittag ge­opfert, kam mit Zug und Bus hierher, nur um ihrem Vater einen Besuch abzustatten, einem Vater, der vermutlich immer stärker mit seinen eigenen Dingen beschäftigt war als mit seiner Tochter. Er habe Nadine an der Bushaltestelle abgeholt, sie verspürte keine Lust auf einen langweiligen Spaziergang, also setzten sie sich auf die Terrasse der Klinikcafeteria und bestellten für sie einen Eisbecher und für ihn ein Bier.