Steinschlag. Andrea Stamms erster Fall
DAS MAULTIER SUCHT IM NEBEL SEINEN WEG;
IN HÖHLEN WOHNT DER DRACHEN ALTE BRUT;
ES STÜRZT DER FELS UND ÜBER IHN DIE FLUT!
KENNST DU IHN WOHL?
DAHIN! DAHIN
GEHT UNSER WEG! O VATER, LASS UNS ZIEHN!
JOHANN WOLFGANG GOETHE
Andrea las das Gedicht mehrmals, sah zwischen den Zeilen den Berg, in Wolken und Nebel gehüllt, den Weg über dem Abgrund, den stürzenden Fels und das Wasser des Bachs. Es war das Bild der Runse, wo sie Claudia Baumberger gefunden hatten. Das trotzige Kind, das gegen den Willen seines Vaters dort hinauf gestiegen war, wo ein Drache lauerte. Die Lévis seien eine der reichsten Familien der Gegend, hatte Robert gesagt. Doch die Todesanzeige war nur vom Ehemann der Toten unterzeichnet und von einer Jeanette Baumberger, vielleicht einer Tochter.
«Entschuldigen Sie … darf ich mich zu Ihnen setzen?» Der Einsame stand an ihrem Tisch, sah sie mit verlegenem Lächeln an. Sie hatte keine Lust auf ein Gespräch, eine flüchtige Bekanntschaft. Doch seine verträumten Augen, der blonde Dreitagebart, die hohe Stirn mit Ansatz zur Glatze erinnerten sie an Joe Cocker auf dem Umschlag einer CD.