Wintertauber Tod. Ein Tanner-Kriminalroman

EINS

Tanner liebte seit kurzem Spaziergänge. Jeden Morgen, egal bei welchem Wetter, machte er sich auf den Weg. Wie das kam, konnte er sich selber nicht erklären. Die Lust dazu war eines Tages plötzlich da gewesen.

Er lächelte, während er sich die Schuhe anzog.

Früher hatte er Spaziergänge gehasst, sie als die langweiligste Sache auf der Welt empfunden. Direkt qualvoll.

Jetzt wählte er bereits zwischen sechs Standardspaziergängen, die sich sowohl in Länge, Topographie als auch im Erlebnispotential deutlich unterschieden. Heute hatte er sich für die kürzeste, dafür aber meistens bei weitem erlebnisreichste Variante entschieden, nämlich die durchs Dorf. Die nächst längeren Spaziergänge führten entweder um das Dorf herum oder am See entlang bis zum Ringmauerstädtchen, wo man deutsch sprach und die besten Gipfelis weit und breit erhielt. Oder in die entgegengesetzte Richtung bis zum Städtchen auf dem Hügel mit seiner eindeutig französischen Ausprägung, wo man die besten Croissants weit und breit bekam. Diese beiden Spaziergänge erforderten jedoch eine Rückfahrt mit der Eisenbahn, denn wer geht beim Spazieren schon gerne denselben Weg zurück. Der längste Spaziergang führte um den See herum, was allerdings einen ganzen Tag in Anspruch nahm. Eine weitere Variante führte hinaus aufs melancholische Land, weg von Dorf und See. Dazu hatte er heute aber keine Lust, denn in der Nacht war der erste Schnee gefallen. Wiesen und Dächer waren weiß. Und es war ungewöhnlich still, denn noch waren die Straßen nicht geräumt.