Auf der Suche nach dem verlorenen Schnee. Erzählungen und Essays
Die Himmel
Und die Sonne lacht. Nicht die wahre Sonne, die auf Prospekte und Logos gedruckte Comic-Sonne, diese mit ein paar gelben Strichen gezeichnete Sonne, die das Blaue vom Himmel herunterverspricht. Himmel der Surselva, immer blau, während der Himmel der anderen Landsleute, die wir instinktiv nicht allzu sehr lieben («Wer mit den Fremden ein Geschäft machen will, darf sie auch nicht besonders mögen.» Dürrenmatt), im Unterland in Nebel eingehüllt ist. Übrigens bestätigt auch das «Ferien- und Freizeitbuch Disentis-Sedrun Cadi»: «Nebel ist hier praktisch nie zu erdulden.»
Wie ist unser aktueller Himmel noch? Kreuz und quer eingeritzt von Flugzeugen, die mit der family in die Bahamas fliegen, weil die anderen das auch tun.
Wie wünschen wir uns unseren aktuellen Himmel noch? Manchmal grau-weiss voller Schneeflöckchen, die leicht mit dem Wind tänzeln. Lieber aber voller schwerer Schneeflocken, die ohne Unterlass fallen und Pisten und Dächer bedecken. Manchmal aber, wenn wir aufstehen mögen, ein rot vergoldeter Himmel, silbern und weiss ich noch was, wenn die Sonne aufgeht: feuriger Himmel zwar, aber nicht ohne etwas Diskretes, das daraus einen Akt macht. Einen religiösen Akt, pompös, meditativ, oder nach dem Geschmack eines jeden Bauches, wie er sich das zu fühlen vorstellt. Und was ist über dem Himmel der Surselva, über den Flocken, über den Wolken, über den Flugzeugen, über dem Blau, über der Morgenröte? Dort ist immer noch dieser Himmel, der früher voll von Heiligen war, Herrgöttern und Müttergottes, Avemarias und Vaterunser, mit goldenen Strahlen und glänzenden Heiligenscheinen, dort ist jetzt immer noch dieser himmlische Himmel, aber – leer.