Die Wohlanständigen. Ein Tanner-Kriminalroman
Fein. Und wo gehen wir essen? Ich habe einen Wahnsinnshunger.
Michel seufzte. Er hatte insgeheim gehofft, sie für eine Weile loszuwerden.
Weiter unten ist eine Art Arbeiterrestaurant mit etwas altmodischen Menus. Ich weiß nicht, ob Ihnen das zusagt.
Sie nickte und ging gleich los.
Jetzt war es an ihm zu staunen. Offensichtlich liebte sie diese Art Kneipe, wo Lastwagenfahrer und Arbeiter riesige Teller voller Fleisch, Würste und Kartoffeln aßen; grüne Speisen sah man äußerst selten, am ehesten noch in Form von Erbsen aus der Büchse.
Sie zwängten sich in das vollbesetzte Gasthaus und fanden gerade noch zwei Plätze. Es war so lärmig, dass sie einander anschreien mussten.
Wissen Sie, als Studentin konnte ich mir nur alle zwei Tage ein richtiges Essen leisten und in so einem Lokal wird man wenigstens satt.
Sie betrachtete ganz ungeniert, was ihre Nachbarn aßen. Als sie bestellen konnten, zeigte sie bloß auf die Teller und nickte. Auch auf die großen Biergläser. Michel machte es ebenso. Er war jetzt wirklich gespannt, wo diese schmale Person mit all dem Essen hinwollte. Als dann das Essen kam, musste er schmunzelnd erkennen, dass er sie total unterschätzt hatte, mindestens, was ihre Essenskapazität betraf. Ihr Teller war vor seinem leer, und er war beileibe auch kein langsamer Esser. Ein Gespräch war in diesem Lärm nicht möglich, so vollzog sich das Essen praktisch stumm. Die Männer links und rechts von ihnen schrien in allen möglichen Sprachen kreuz und quer durch den Raum. Erstaunlicherweise schienen sie sich trotz des Lärmpegels gut zu verstehen.