Steinschlag. Andrea Stamms erster Fall
Wieder packte sie der Gedanke an den Steinschlag, dieses Zeichen des Zerfalls. Sie sah den Stein niederkrachen, aber plötzlich war da ein Mann, eine schemenhafte Gestalt mit erhobener Hand. Sie versuchte, das Bild in ihrem Kopf auszulöschen, doch es hatte sich festgesetzt, begleitete sie während der letzten leichten Schritte zum Gipfel.
Sie sassen neben dem Steinmann auf der Spitze des Felsturms, redeten Belangloses, assen Brot und Äpfel aus Andreas Rucksack. Daniel rauchte. Über seinen Unfall schwieg er sich aus, erwähnte nur, dass sie damals weitergeklettert seien, durch eine brüchige Wand zum Gipfel der Plattenburg, des Bergs, der die Sila überragte. Dort hätten sie biwakiert. Der Rest der Geschichte war offenbar ein Tabu. Wie sein Verhältnis zu Stef. Seine Familie. Wie er lebte. Ob er Kinder hatte. Nichts erfuhr sie, und fragen mochte sie nicht. Nicht einmal geküsst hatten sie sich, wie das sonst üblich war, wenn Mann und Frau einen Gipfel erreichten. Doch ihre Rollen waren klar, sie war die Führerin, er der Geführte. Ein Kuss schien nicht angebracht. Sie hatten sich die Hand gedrückt, er hatte gesagt: «Grandios, wie du kletterst. Danke für die Führung.»