Steinschlag. Andrea Stamms erster Fall
«Was ist das?», fragte Daniel am Stand. «Unfall?»
«Eine Frau, am Samstag vom Steinschlag getroffen.»
«Beim Klettern?»
«Auf dem Weg unter der Wand. Dort, wo er die Runse quert. Sie war mit ihrem Mann auf dem Abstieg von der Hohen Platte.»
«Auf dem Weg? Eigenartig.»
Andrea erzählte, wie sie die Tote gefunden und gesichert hatten. Das Brummen des Helikopters schallte gegen die Wand. Er stand über der Krete in der Luft.
«Sie setzen die Winde ein. Der Heli kann dort nicht landen, es ist zu steil.»
«Hast du die Frau gekannt?»
«Ich weiss nicht einmal ihren Namen.»
Sie kletterten weiter. Einen Überhang überwand sie fast im Spagat, elegant und schnell, fühlte sich dabei wie eine Balletteuse auf einer senkrechten Bühne. Obwohl sie vor Ballett eine tiefe Abscheu hatte, vor einstudierten, von einem Ballettmeister choreografierten Abläufen. An der Wand bestimmte sie selber, hier war sie die Meisterin, sie fand ihren Rhythmus und ihren Weg selber. Deshalb war sie wohl Bergführerin geworden. Sie wollte führen, nicht geführt werden.