Wenn die Nacht in Stücke fällt. Ein Brief an Ferdinand Hodler

Ihr Schwiegervater kann die Überlebenden nicht ernähren, beginnt zu trinken. Mit dreizehn Jahren übernehmen Sie seine Malerwerkstatt, während Ihre am Leben ge­bliebenen Brüder und Schwestern durch das Sammeln von Holz in den Wäldern ein bisschen Geld verdienen. Im Jahr darauf bricht die Tuberkulose auch bei Ihrer Mut­ter aus. Einer Frau von neununddreißig Jahren, von der Sie sagen, sie sei stark und fröhlich gewe­sen. Bevor sie krank wurde, sang sie den ganzen Tag. Nachts werden Sie von ihren Schmerzensschreien geweckt, gehen an ihr Bett, beobachten sie, wie Sie später das zunehmende Leiden auf dem Gesicht von Valentine verfolgen.

Jeden Morgen steht Ihre Mutter auf, um sich um die Kinder zu kümmern. Bis zu jenem Tag im März 1867, Sie waren vierzehn Jahre alt. Sie arbeitet auf den Feldern außerhalb der Stadt, bricht plötzlich zusammen. Sie, das Kind Ferdinand, legen die Leiche auf einen Karren. Mit Ihren Brüdern und Schwestern bringen Sie sie nach Hau­se. Ich stelle mir den Umzug der Kinder vor, die weinend hinter den sterblichen Überresten ihrer Mutter durch die Vororte von Thun ziehen. Hat sie die Augen noch geöffnet oder hängen die Arme aus dem Karren? Danach wird keiner Ihrer Brüder das Erwachsenenalter erreichen. Was Ihre Kindheit betrifft, sagen Sie: «In der Fami­lie war der Tod allgegenwärtig. Ich glaube, am Ende hatte es immer einen Toten im Haus, als müsse das so sein.»