Wenn die Nacht in Stücke fällt. Ein Brief an Ferdinand Hodler

Am Tag darauf hat dann die erste richtige Begegnung stattgefunden. Nach zwei Stunden, in denen Sie sie gezeichnet haben, als säße sie immer noch auf der Terrasse von Montparnasse, haben Sie die Dame zu einem Glas Wein eingeladen und ihr vor­ge­schla­gen, am nächsten Tag nochmals zu kommen. Das war ihr unmöglich. Sie ha­ben nicht zu fragen gewagt, woher der melancholische Schleier komme, den Sie in ihrem Blick gesehen hatten. Sie lächelte ihnen zu, Sie sagten Plattitüden. Später haben Sie erfahren, dass sie eben eine schmerzhafte Scheidung hinter sich hatte.

Monsieur Hodler, diese Frau hat Sie eingeschüch­tert. Sie haben über sich gespro­chen und abschließend gesagt: Entschuldigen Sie, Madame Darel, ich rede und rede … Ausgerechnet Sie, von dem alle sagten, Sie seien wortkarg, unwirsch, «unfähig, einen Satz zu beenden», Sie haben Ihre Projekte und zu­letzt das erwähnte Bild in Genf geschildert. Sie hat nur einige Bemerkungen gemacht, aus denen klar geworden ist, dass sie über Ihre Kunst und die Theorie der Malerei mehr wusste als Sie. Sie kannte die Werke der meisten Ihrer Zeitgenossen, sodass Sie gedacht haben, sie male ebenfalls, wagten aber nicht, sie danach zu fragen.