Garibaldis Fuss. Aus dem Leben des Homöopathen Samuel Zopfy 1804-1890
Durch einen Zufall beim Recherchieren einer ganz anderen Geschichte bin ich darauf gestossen, dass Zopfy zu den Teilnehmern des «Grande Consulto» am Krankenlager des verwundeten Generals Garibaldi gehört hatte. Ich sammelte weitere Informationen, und allmählich begann ich mir ein Bild dieses eigenartigen und eigenwilligen Angehörigen unseres Geschlechtes zu machen, der seinen Namen mit einem vornehmen Y schmückte. Die wenigen und zum Teil widersprüchlichen Fakten, die von ihm überliefert sind, bilden eine Art homöopathischer Grundsubstanz meiner Erzählung.
Der General
Ich stelle mir vor: ein Tag in Schwanden im Herbst 1890, Zopfys letztem Jahr. Zum Beispiel Samstag, der 27. September, es ist Kirchweih, die traditionelle «Schwander Chilbi».
Sein Mund ist trocken, als er erwacht. Die Zunge fühlt sich rau und dick an. Mit der rechten Hand tastet er über die Decke, aber da ist nichts. Das Bett neben ihm ist leer. Er wischt sich Tränen aus den Augen, starrt in die Dunkelheit. Seine Lippen bewegen sich. «Anna Maria.» Fahl schimmert das Viereck des Fensters an der Südseite der Kammer. Anna Maria ist tot, dämmert ihm allmählich. Tot, im Himmel oder wo immer. All seine Arznei und Erfahrung hatte ihr nicht helfen können. Wozu denn alles, das Studium, die Praxis, die lebenslange Erfahrung, wenn man seinen Nächsten, seinen Liebsten in ihrem Leiden nicht beistehen kann? Ihren Schmerz nicht einmal lindern, ihre Not nicht besänftigen. Wozu, wozu?