Pionier und Gentleman der Alpen. Das Leben der Bergführerlegende Melchior Anderegg (1828-1914) und die Blütezeit der Erstbesteigungen in der Schweiz
Um sich während des Mahls vor der Kälte zu schützen, graben sie die Beine bis zu den Knien in Schneehöhlen ein. Der «berühmte Gemsjäger» Melchior erzählt, dass er schon oft in selbstgegrabenen Schneehöhlen übernachtet und bis zum Morgen herrlich darin geschlafen habe. Beim Abstieg schreitet Melchior über das harte Eis voran, tritt in die im Aufstieg geschlagenen Stufen, Hinchliff dicht hinter ihm. Als der Schnee weicher wird, gehen sie Hand in Hand, die genagelten Absätze der Schuhe fest einstossend, wobei Melchior von Zeit zu Zeit sein «Gut, gut!» hören lässt. Es beginnt zu regnen, sie beeilen sich und gelangen um elf Uhr zum «Schwarenbach», wo man erstaunt zur Kenntnis nimmt, dass sie lediglich sechseinhalb Stunden für die ganze Tour gebraucht haben, während man normalerweise nur für den Aufstieg deren sieben berechnet.
Sie trocknen ihre vom Niederschlag durchnässten Haare, geniessen eine Pfeife und einen Kaffee. Hinchliff will weiter nach Leukerbad, wo im Hotel des Alpes seine Reisebegleiter auf ihn warten. Bei diesem Wetter möchte Melchior seinen «Herrn» nicht alleine gehen lassen. Gutmütig gibt er vor, in Leukerbad «seinen Bruder» besuchen zu müssen. Arm in Arm, Hinchliff nun mit Melchiors Hut geschmückt, treten sie den Weg unter einem Regenschirm an. Hinchliff schreibt später: «Mit Bedauern schied ich von Melchior, indem ich ihn für einen ganz ausgezeichneten und zuverlässigen Gefährten halte, eines von jenen treuen und mannhaften Herzen, mit denen es immer ein Vergnügen ist, verbunden zu sein.» Sie nehmen sich zum Ziel, im nächsten Jahr gemeinsam den Wildstrubel zu besteigen – was sie 1858 zusammen mit Hinchliffs Freund Leslie Stephen machen werden.