Pionier und Gentleman der Alpen. Das Leben der Bergführerlegende Melchior Anderegg (1828-1914) und die Blütezeit der Erstbesteigungen in der Schweiz

DER STEINIGE WEG ZUM ALPINISMUS

DIE ENGLÄNDER KOMMEN — KRIEGSRHETORIK IN DEN BERGEN — RÜCKBLICK: DIE ALPEN SIND SCHRECKLICH, BERGBESTEIGUNGEN VERBOTEN UND «KEINESWEGS LUKRATIV» — MIT PANTOFFELN AUF DEN MONT BLANC — «WO IST JETZT DIE JUNGFRAU?»

Wäre Melchior Anderegg nicht von Thomas Hinchliff «entdeckt» worden, hätte ihn mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit ein anderer Engländer im Grimsel-Hospiz oder im «Schwarenbach» aufgespürt. Mit dem Aufkommen des touristischen Alpinismus tun sich zwar immer mehr Hochgebirgsführer hervor, aber nicht so viele, wie gefragt wären. Hinchliff publiziert 1857 sein Buch «Summer Months Among the Alps», ein Publikumserfolg. Es ist damals eine der ersten unterhaltsamen Lektüren über die Alpen ohne wissenschaftliche Abhandlung. Die Briten verschlingen Hinchliffs Reisen. Sie folgen ihm lesend auf die Alpengipfel, leiden mit ihm, wenn er sich etwa bei der Besteigung der Dufourspitze, mit 4634 Metern der höchste Gipfel auf Schweizer Boden, fast die Finger abfriert, weil ihm der Zermatter Führer nicht gesagt hat, er solle Handschuhe einpacken. Hinchliff beschreibt detailliert, was er gefühlt, gesehen und erlebt hat. Manche seiner Bergführer schienen ihm ängstlich und ungeübt, andere hat er als müde und weniger ausdauernd als er selber in Erinnerung. Jedenfalls erhält in «Summer Months Among the Alps» kein anderer so viel Lob wie Melchior Anderegg, den er seinen «good old friend» nennt. Dadurch wird der Haslitaler auf einen Schlag berühmt und begehrt. Also noch bevor seine grosse Zeit der Erstbesteigungen überhaupt angefangen hat.