Wenn die Nacht in Stücke fällt. Ein Brief an Ferdinand Hodler

Über die Frauen haben Sie festgefahrene Meinungen gehabt. Die einen waren schö­ne Modelle, mit denen Sie die Sitzungen im Atelier gerne in schnelle Um­­armungen verlängerten, die Liste der Namen wäre lang. Die anderen Blaustrümpfe, verklemmte, gebildete Spieß­bürgerinnen, aber unattraktiv. Zum ersten Mal begegneten Sie einer Frau, die Sie gleichzeitig wegen ihrer Schönheit «einer byzantinischen Kai­se­rin» auf einem Mosaik in Ravenna und wegen ihrer Intelligenz faszinierte. Valentine hat Ihre Vorstellung der weiblichen Welt durcheinandergebracht. ­

Es hat nur eine Skizze in Montparnasse und zwei Sit­zun­gen mit ihr als Modell in der Grande Chaumière ge­braucht, um zu verstehen, wie Ihnen geschah. Des­halb Ihr Vorschlag: Madame, wür­den Sie nicht einige Tage nach Genf kommen? Antwort: Monsieur Hodler, ich glaube nicht, die Frau zu sein, die Sie su­chen, aber wenn ich Ihnen damit eine Freude be­rei­ten kann …

Später hat sie behauptet, Sie seien leicht verwirrt gewesen, bevor Sie entgegneten: Oh doch. Sie haben so getan, als hätten Sie von ihr keine Antwort bekommen, als Sie sie verließen, als wüssten Sie nicht, ob Sie sie je wiedersehen würden. Bis zu dem Tag, an dem Sie von ihr ein Briefchen erhalten haben.