Wenn die Nacht in Stücke fällt. Ein Brief an Ferdinand Hodler
Carl Vogt, der Meister
Die folgende Anekdote würde man noch in hundert Jahren in meiner Familie weitererzählen. Ein gewisser Carl Vogt, der erste Rektor der Universität Genf, überzeugter Materialist, bekämpfte die Bedeutung der theologischen Fakultät. Er hatte öffentlich dessen Dekan angeherrscht: «Da die Theologie behauptet, die Basis von allem zu sein, wird es genügen, dass sie im Keller unserer Universität Platz nimmt.»
Dieser Carl Vogt, ein ehemaliger Freund von Bakunin und Karl Marx, ist verrufen. Als politischer Agitator in Deutschland flüchtet er das erste Mal nach Neuenburg, wird Assistent von Louis Agassiz. 1848 kehrt er nach Deutschland zurück, er wird in die Nationalversammlung in Frankfurt gewählt. Ein zweites Mal zwingt ihn die Repression, in die Schweiz zu flüchten. 1852, mit dreiundfünfzig Jahren, wird er zum Professor für Geologie ernannt, dann zum Professor für vergleichende Anatomie. 1863 erscheint sein Buch, ein Lob des Darwinismus, Vorlesungen über den Menschen. Schweizer geworden, wird er zum Großrat, dann zum Nationalrat gewählt. Im Jahr 1872 wollen Sie, Monsieur Hodler, die Natur studieren. Sie kommen nach Genf, um die Vorlesungen dieses Carl Vogt zu besuchen, dessen Furor von der ganzen helvetischen Jugend bewundert wird. Später werden Sie zu Ihrem Freund Loosli sagen: «Der Unterricht von Carl Vogt hat mir mehr künstlerisches Wissen gebracht und mich mehr bereichert als alles, was ich über Kunst gelesen habe und je lesen werde. Sein Unterricht war so mitreißend, dass ich mich gefragt habe, ob ich nicht die Malerei aufgeben und mich ganz den Naturwissenschaften widmen solle, für die er mich begeistert hatte. Aber er selber hat mir abgeraten, in diese Richtung zu gehen, da ich nicht studiert hatte und mittellos war. Ich bleibe ihm dankbar, dass er mich gelehrt hat, die Natur und ihre Gesetze zu verstehen. Er hat mir gezeigt, dass alles, was in der Natur geschieht, nur die unablässige Anwendung von unveränderlichen Gesetzen ist.»