Wenn die Nacht in Stücke fällt. Ein Brief an Ferdinand Hodler

Carl Vogt erlaubt Ihnen, bei den anatomischen Seziersitzungen dabei zu sein. Sie dürfen dort zeichnen, was Sie vor Augen haben: aufgeschnittene Muskeln, leichen­blasse Gesichter, Hände. Später werden Sie zu diesem Thema sagen, dass der mensch­liche Körper Ihnen wie eine Maschine vorkomme. Um ihn zu verstehen, müs­se man ihn im Stillstand studieren. Carl Vogt bewundert Ihre Zeichnungen, für die er Sie lobt.

Vielleicht wären Sie nach Bern zurückgekehrt, wenn es Carl Vogt nicht gegeben hätte. Aber Sie ha­ben in Genf einen zweiten Lehrer gefunden, diesmal einen für die Malerei: Barthélemy Menn. In den Fünfzigern geboren, ausgebildet in Paris, befreundet mit Corot und Manet. Fünf Jahre lang bringt er Ihnen das Hand­werk, den Stand der Technik, die Verehrung der alten Meister Ingres und Delacroix bei. Er hätte Sie Courbet vorstellen können, der ebenfalls in die Schweiz geflüchtet war und sich oft auf der Durchreise in Genf aufhielt. Das wäre eine schöne Begeg­nung geworden. Sie werden den Weg zum Realismus allein gehen müssen.