Garibaldis Fuss. Aus dem Leben des Homöopathen Samuel Zopfy 1804-1890
Ein schmales Gesicht, zerzauster Haarschopf, die Nase verrotzt. Zopfy tippt mit dem Finger auf die geschwollene Backe. Der Bub zuckt zusammen, stösst einem gequälten Laut aus.
«Geh zum Doktor Hösli. Ich mache das nicht mehr.»
«Bitte, Herr Doktor …»
Zopfy wischt sich mit dem Ärmel des Morgenmantels einen Tropfen von der Nase. «Ists deiner?»
Sie nickt, starrt unverwandt auf seine Pantoffeln. Er seufzt, fasst den Buben an der Schulter. «Wie heisst du?»
Der weicht zurück, drückt sich an seine Mutter. Sie schiebt ihn weg. «Bälzli heisst er.»
Sie wird bald gebären. Morgen ist Vollmond, dann werden die Wehen einsetzen. Von den Ureinwohnern in Amerika hat er das gelernt, und seine Erfahrung hat es bestätigt.
«Dein Name?»
«Agatha Zopfi.»
«Aha? Von welchen Zopfi?»
«Aus dem Zügersten.»
«Bist verheiratet?»
Agatha läuft rot an, schaut auf. «Ja, ja. Jetzt schon.»
«So, jetzt schon.»
Also auch so ein armer Balg, der Bälzli, wie sein Neffe. Für solche Kinder hat er das Wort ergriffen an der Landsgemeinde im Mai, hat sich starkgemacht «für die Gleichstellung der ausserehelichen Kinder im Erbrecht». Dafür hat er in der Zeitung Häme geerntet. Nicht mal seinen Namen schreiben die Zeitungsfinken, wie es sich gehört. Sie ignorieren das Y, um ihn zu kränken. Im Tal hat man getuschelt und getratscht. Der Doktor Zopfy hat doch keine Kinder. Oder etwa doch? Irgendwo, heimlich vielleicht? Und jetzt, wo seine Frau verstorben ist, will er sein Vermögen einem Bastard vermachen. Schon an der Landsgemeinde im Jahr dreiundsiebzig hat er sich in Erbsachen ereifert, erinnert ihr euch?